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Aktuelles-Beitrag vom

F&E Patent

Entscheidung G 3/19 der großen Beschwerdekammer: Schutz von Pflanzen

In ihrer Entscheidung G 3/19, kam die Große Beschwerdekammer des EPA zu dem Schluss, dass Pflanzen und Tiere, die über ein im Wesentlichen biologisches Verfahren erhalten werden (bspw. durch Züchtung) von der Patentierbarkeit nach dem europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) ausgenommen sind.

Entwicklungen bei der Möglichkeit Pflanzen zu patentieren

In ihrer jüngsten Entscheidung G 3/19 kam die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts (EPA) zu dem Schluss, dass Pflanzen oder Tiere, die aus im Wesentlichen biologischen Prozessen, d.h. durch konventionelle Züchtungsverfahren gewonnen wurden, von der Patentierbarkeit gemäß dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) ausgeschlossen sind. In G 3/19 hat die Große Beschwerdekammer somit eine Entscheidung über eine langjährige Kontroverse über die Patentierbarkeit solcher Pflanzen oder Tieren getroffen, und ihre bisherige Haltung in dieser Angelegenheit umgekehrt.

Gemäß Art. 53 (b) EPÜ sind Pflanzensorten oder Tierarten sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zur Herstellung von Pflanzen oder Tieren von der Patentierbarkeit ausgeschlossen. Es ist seit langem eine Frage, ob die Ausnahmen gemäß Art. 53 (b) EPÜ sich auch auf Produkte, die aus im Wesentlichen biologischen Prozessen gewonnen werden, erstrecken. In ihren früheren Entscheidungen G 2/12, G 2/13 („Tomate II, Brokkoli II“) war die Große Beschwerdekammer zu dem Schluss gekommen, dass dies nicht der Fall sei. Der Ausschluss von der Patentierbarkeit für im Wesentlichen biologische Verfahren sollte sich nicht auf Pflanzen oder Tiere, die durch solche Verfahren erhalten wurden, erstrecken.

In Reaktion auf diese Entscheidungen änderte der Verwaltungsrat die Durchführungsbestimmungen des EPÜ und führte R. 28 (2) EPÜ ein, in der ausdrücklich festgehalten wurde, dass „Pflanzen oder Tiere, die ausschließlich durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren gewonnen wurden“ gemäß Art. 53 (b) EPÜ nicht patentfähig seien. Somit widersprach die neu eingeführte Regel unmittelbar der bisherigen Auslegung von Art. 53 (b) EPÜ durch die Große Beschwerdekammer.

In der wegweisenden Entscheidung T 1063/18 betrachtete die Technische Beschwerdekammer die neu eingeführte R. 28 (2) EPÜ im Hinblick auf früheren Entscheidungen G 2/12 und G 2/13 (wir berichteten) als nichtig. Als Reaktion auf diese Entscheidung legte der Präsident des EPA die Frage nach der Auslegung von Art. 53 (b) EPÜ auf der Grundlage von Art. 112 (1), (b) EPÜ erneut der Großen Beschwerdekammer vor, um eine einheitliche Anwendung des Gesetzes zu gewährleisten.

In G 3/19 revidierte die Große Beschwerdekammer nun ihr bisheriges Verständnis von Art. 53 (b) EPÜ und kam zu dem Schluss, dass in Hinblick auf R. 28 (2) EPÜ, nun Art. 53 (b) EPÜ so zu verstehen ist, dass auch Produkte ausgeschlossen werden, die durch im Wesentlichen biologische Prozesse erzeugt wurden. Die Große Beschwerdekammer stützte ihre Entscheidung auf eine „dynamische Auslegung“ des Gesetzes. Laut Kammer könnte eine bestimmte Auslegung einer gesetzlichen Bestimmung niemals als „in Stein gemeißelt“ angesehen werden, da sich die Bedeutung der Bestimmung im Laufe der Zeit ändern oder weiterentwickeln kann. Die Änderung von R. 28 (2) EPÜ änderte daher die Auslegung von Art. 53 (b) EPÜ so, dass Produkte, die aus im Wesentlichen biologischen Verfahren gewonnen wurden, von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind.

Für die Praxis tritt die Entscheidung für ab dem 1. Juli 2017 eingereichte europäische Patentanmeldungen in Kraft und hat keine rückwirkende Wirkung auf Patente, die vor diesem Datum erteilt wurden, oder auf anhängige europäische Patentanmeldungen, die Schutz für solche Ansprüche suchen, die vor diesem Datum eingereicht wurden. Daher könnte es ratsam sein, das aktuelle Patent- und Anmeldeportfolio in Bezug auf Ansprüche auf Produkte zu analysieren, die aus im Wesentlichen biologischen Verfahren stammen, da für Anmeldungen, die vor dem 1. Juli 2017 eingereicht wurden, möglicherweise noch Schutz für Produkte aus solchen Verfahren erhalten werden kann.

 

Es ist jedoch anzumerken, dass die Entscheidung G 3/19 die Patentierbarkeit von Pflanzen und Pflanzenmaterialien, die

 

Dr. Simon Müller  (Autor)                           Dr. Barbara Engels